Bericht aus der WNZ zur Oberligasaison 2015/2016

Die Nummer eins gibt’s bisher nur auf Youtube

TISCHTENNIS Aufsteiger TV Braunfels startet am Wochenende in die Oberliga-Saison / Przybilik am Freitag erstmals im Training
Thorsten Neul

Traut seinem TV Braunfels in der Tischtennis-Oberliga Platz vier bis fünf zu: Abteilungsleiter Thorsten Neul. (Foto: V. Schäfer)

“Wir kennen unsere neue Nummer eins bislang nur über Youtube”, schildert Neul die Situation vor dem ersten Punktspiel-Wochenende am Samstag (15 Uhr) zu Hause gegen den TTC Maberzell II und am Sonntag (10 Uhr) beim TuS Kriftel. Milosz Przybilik, so der Name des künftigen Spitzenspielers der Schlossstädter, wird erst am Freitag, also einen Tag vor der Heimpremiere gegen den Titel-Topfavoriten aus Osthessen, erstmals die Mehrzweckhalle Bonbaden betreten und mit der Mannschaft trainieren.

“Er war den ganzen Sommer über in den USA, wir hatten aber ständig Kontakt. Milosz wird immer nur kurz vor den Spielen direkt aus seiner Heimat anreisen”, erklärt Neul den Aufwand, den der 30-jährige Pole für Einsätze im Trikot des amtierenden Hessenliga-Meisters und der Verein selbst für die Wettbewerbsfähigkeit in der Runde betreiben.

Der Clubchef weiß um die Gesetzmäßigkeiten, die schon in Liga fünf greifen. “Als Aufsteiger musst du personell was tun, sonst hast du keine Chance. Durch die Ligareform und die personell kleiner werdenden Mannschaften in den höheren Klassen werden gute Spieler in Deutschland immer weiter nach unten durchgereicht. Das Niveau ist enorm gestiegen”, glaubt Thorsten Neul. Und so hatte er schon während der vergangenen Spielzeit Kontakt zu Przybilik aufgenommen. “Milosz kommt wie unsere früheren Topspieler Marcin Jadczyk oder Szymon Mora aus Czestochowa. Die Jungs dort kennen sich alle untereinander, so bekam ich die Nummer von ihm. Als wir das erste Mal telefoniert haben, waren wir noch Zweiter. Das war ein Balanceakt, ich musste ihn hinhalten. Aber dann haben wir den Aufstieg ja geschafft, und er hat uns zugesagt”, freut sich Neul auf die neue Braunfelser Nummer eins.

Hinter dem Neuzugang aus Polen formiert sich die Mannschaft, die den Hessenliga-Titel eingefahren hat

Hinter Przybilik reiht sich dann die Mannschaft ein, die mit dem Hessenliga-Titel den bislang größten Erfolg der TVB-Tischtennisabteilung perfekt machte. Der Chinese Xianjun Gao soll an Position zwei seine enorme Erfahrung ausspielen, mit Fritz Lattermann, Ravi Windyan Withanage, Gregor Pitsch und Kai Dworschak folgen vier weitere Säulen der Vorjahres-Truppe. Für Ralf Neul bleibt dagegen “nur” die Rolle des Ersatzspielers. “Es ist bitter, dass er rausfällt”, sagt Thorsten Neul, “weil auch Ralf seinen Beitrag zur Meisterschaft geleistet hat. In die zweite Mannschaft, die leider in die Bezirksliga abgestiegen ist, wollte Ralf aber nicht. Jetzt hilft er bei der Ersten, wo es geht. Er wird die Jungs bei den Spielen betreuen und coachen und steht als siebter Mann zur Verfügung, wenn es Ausfälle gibt”, kann sich der Vereinsvorsitzende auf seinen Namensvetter verlassen.

Dass das TVB-Team nach wie vor nur zwei Mal in der Woche trainiert, mutet beim Blick auf die Konkurrenz eher wenig an. Die DJK BW Münster hat Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf an eins gemeldet, der TTV Stadtallendorf stellt die hierzulande bekannten Fabian Moritz und Nico Grohmann an der Spitze auf. Nachbar Gießener SV meldet mit “Rossis” Co-Trainer Xiaoyong Zhu einen Top-Mann aus dem Reich der Mitte auf Position eins. Und der Braunfelser Auftaktgegner aus Maberzell stellt mit dem chinesischen Vater-Sohn-Gespann Meng sowie den ganz vorne gemeldeten Standby-Leuten Christian Süß (früherer Doppelpartner von Timo Boll) und Thomas Keinath (startet für die Slowakei bei der am Freitag beginnenden EM in Russland) professionelle Kräfte auf.

“Am TTC können und werden wir uns aber nicht messen”, weiß Thorsten Neul – trotz allem Optimismus, den die beiden Mannschaftsführer Fritz Lattermann (“Alles muss erstmal gespielt werden”) und Gregor Pitsch (“Wenn wir einen Sahnetag erwischen, wer weiß”) vor dem Auftakt am Samstag verbreiten. Während Neuzugang Przybilik insgeheim von Rang zwei in der Endabrechnung träumt, sieht Thorsten Neul Platz vier oder fünf als realistisch an.

Speziell zu Hause hofft der TVB auf reges Zuschauerinteresse, den Schnitt von 40 bis 50 Fans pro Partie aus der letzten Saison will Neul gerne steigern. Der wichtige Heimvorteil bleibt – zumindest vorerst – bestehen, weil der Landesverband trotz zu geringer Lichtstärke und fehlender Deckenhöhe in einem Eck der Spielerbox eine Ausnahmegenehmigung für die Mehrzweckhalle in Bonbaden erteilt hat. “Da rollt eher ein politisches Problem auf uns zu, denn die Stadt Braunfels will die Halle schließen lassen. Es steht auch der Termin 31.12.2015 zur Diskussion. Wir hoffen aber, dass wir die Saison dort zu Ende spielen können”, sagt Thorsten Neul, der ansonsten nur positive Meldungen verbreiten kann.

Ein neuer Ausrüstervertrag, ein erweitertes Trikotsponsoring, eine neue Spielklasse – das alles verspricht Spitzensport, wenn der Aufsteiger ab Samstag in der Oberliga aufschlägt. “Es wird eine ganze Stufe professioneller. Mein Vorfreude ist riesig, vor allem auf die Derbys gegen Gießen und den NSC Watzenborn-Steinberg”, kann der fleißige Vereinschef den Saisonstart kaum erwarten.

Am meisten freuen sich Neul und die Spieler der Schlossstädter aber auf den Mann, der im vergangenen Jahr in der dritten Liga für den TuS Xanten spielte, den sie bisher aber nur von Youtube-Videos kennen. Milosz Przybilik, der am Freitag erstmals die 800 Kilometer aus Südpolen mit dem Auto zurücklegt, um mit dem TV Braunfels ein neues Abenteuer zu beginnen.

Die Aufstellung: 1 Milosz Przybilik (30 Jahre), 2 Xianjun Gao (42), 3 Fritz Lattermann (19), 4 Ravi Winyan Withanage (36), 5 Gregor Pitsch (21), 6 Kai Dworschak (30), 7 Ralf Neul (49).

24. September 2015 – Felix Friedrich